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Johann Karl Wilhelm Ose (1798-1880)

seine Ehefrau Emilie Auguste geb. Voigt (1810-1848)

und ihre Familie

Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Nachträge und Ergänzungen

Schleswig - Holstein - Frage

Im Rahmen der Ostkolonisation übergab Lothar von Suplimburg, Herzog von Sachsen (später Deutscher Kaiser) 1110 an Adolf von Schauenburg die Grafschaft Holstein, dessen Nachkommen dort bis zu ihrem Aussterben 1499 regierten. 1326 lässt sich Gerhard III. von Holstein von König Waldemar III. von Dänemark Schleswig zu erblichen Besitz übertragen mit der Bestimmung, dass Schleswig nie wieder mit der Krone Dänemarks vereinigt werden sollte. Nach dem Aussterben der Schauenburger regiert Christian I. von Dänemark Schleswig-Holstein in Personalunion. Er gelobte, dass Schleswig und Holstein ewig
zusamenbleiben sollten ( "up ewig ungedeelt").

Der Wiener Kongress 1815 erklärte Holstein zum Glied des Deutschen Bundes, aber nicht Schleswig. Die Dänen versuchten nun - vor allen Dingen die nationalliberalen "Eiderdänen"-, Schleswig von Holstein zu trennen und enger mit Dänemark zu verbinden. In Abwehr dagegen erwachte das deutsche Nationalgefühl in Schleswig. Nach Schleswiger Ansicht gab es in ihrem Land nur eine männliche Erbfolge im Gegensatz zu Dänemark, das auch die weibliche Erbfolge kennt. Daher stand beim Aussterben des regierenden dänischen Mannesstammes die Nachfolge in Schleswig nicht dem dänischen Königshaus zu, sondern der Augustenburger Nebenlinie des Oldenburger Herrscherhauses. 1848 bildete Schleswig-Holstein eine eigene Regierung, und im Auftrag des Deutschen Bundes rückten preußische und hannoversche Truppen in Holstein ein (Deutsch-dänischer Krieg 1848/5o). Die Schleswig-Holsteiner erleiden schwere Niederlagen gegenüber den Dänen. 185o zieht sich Preußen zurück. Darüber ist man in ganz Deutschland sehr bestürzt und fühlt sich in seiner nationalen Ehre gekränkt. Auf Anregung Österreichs griff 1851 der Deutsche Bund ein, entwaffnete die Schleswig-Holsteiner, was in Deutschland wenig Zustimmung fand, und lieferte zunächst Schleswig, 1852 auch Holstein an Dänemark aus. Im Londoner Protokoll wurde die dänische weibliche Erbfolge auch für Schleswig-Holstein festgelegt, für die Deutschen eine bittere Enttäuschung. Die Eiderdänen
versuchten erneut, eine volle Einverleibung zumindest Schleswigs durchzuführen. Der dänische König bestätigte 1863 eine Gesamtstaatsverfassung. Unterstützt von der gesamten öffentlichen nahm der Augustenburger Erbprinz in Schleswig seine Regierungstätigkeit auf. Der Deutsche Bundestag beschloss die Exekutive. Sächsische und hannoversche Truppen rückten in Holstein ein. Bismarck veranlasste das Eingreifen der Großmächte Preußen und Österreich. Als Dänemark sein Ultimatum ablehnte, begann der Deutsch-dänische Krieg. Deutsche Truppen besetzten Schleswig und Jütland. Im Wiener Frieden 1864 mußte Dänemark ganz Schleswig-Holstein und ferner Lauenburg herausgeben und zwar an Österreich und Preußen. Die Bevölkerung von Schleswig-Holstein hingegen wünschte eine gemeinsame Regierung unter Herzog Friedrich VII. im Rahmen des deutschen Bundes. Im Prager Frieden von 1866 (Ende des preußisch-österreichischen Krieges) mußte Österreich sein Einverständnis mit der Einverleibung von ganz Schleswig-Holstein in Preußen geben. Bis auf kleine Landesteile, die im Rahmen des Versailler Vertrages 192o an Dänemark abgegeben werden mussten, blieb seitdem Schleswig-Holstein Deutschland erhalten.

Schleswig-Holstein war eine Frage, die fast 2o Jahre (etwa 1848 bis 1866) die deutschen Gemüter sehr bewegte. Diese Frage lastete auf den deutschen Menschen. Es ist kein Zweifel, daß die auch durch die Schleswig-Holsteinfrage angeregte nationale Stimmung wesentlich zur Gründung des Deutschen Reiches 1871 durch Bismarck beitrug.

Die sächsische Enklave Liebschwitz (an der Weißen Elster)
Das Königreich Sachsen besaß seit langen Zeiten eine winzige Enklave mit etwa 15oo Einwohnern innerhalb der thüringischen Kleinstaaten. Diese Enklave existierte bis 1921, als alle thüringischen Kleinstaaten zum Lande Thüringen mit der Hauptstadt Weimar zusammengeschlossen wurden. Die Enklave Liebschwitz umschlossen von den thüringischen Kleinstaaten Fürstentum Reuß (ältere und jüngere Linie), Sachsen-Altenburg, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Weimar-Eisenach. Die Enklave Liebschwitz, wenige km südlich von Gera, umfasste etwa 10 Dörfer. Das größte war Liebschwitz mit damals (1834) 390 Einwohnern. Zu diesen Dörfern gehörten auch die beiden benachbarten mit Namen Niebra und Taubenpreskeln. Die beherrschende Höhe der Enklave ist der Zoitzberg, an dessen Fuß das lang gestreckte Liebschwitz (2 km lang) liegt. Liebschwitz besaß seit der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts auch einen Bahnhof an der Strecke Leipzig-Gera-Saalfeld-Probstzella-Nürnberg-München. Im Gegensatz zum lang gestreckten Liebschwitz lag das Dorf Taubenpreskeln auf der Anhöhe des Zoitzberges. In unmittelbarer Nähe von Liebschwitz lag die Weiße Elster. Dort befand sich noch in den 192oer Jahren eine altertümliche Holzbrücke über die Elster, die damals noch überdachtes Hängewerk besaß. Heute befindet sich bei Liebschwitz eine moderne Elsterbrücke.

Am 25. Juni 1864 besuchte der sächsische König Anton (1801-1873, König seit 1854) die sächsische Enklave Liebschwitz. Dies war für die Einwohner der Enklave und nicht zuletzt wohl auch für die Familie Ose ein großes Ereignis. Damals waren in Liebschwitz nur noch die Mädchen bei Oses zu Hause, die Jungen waren vermutlich schon ausserhalb zur Ausbildung, Oswald mit Sicherheit studierte schon in Leipzig. Bei dieser Gelegenheit besichtigte der König auch die alte, 186o renovierte Kirche in Niebra. Er erkannte den künstlerischen und kulturhistorischen Wert des alten, schon dem Verfall zuneigenden Altarschreins und ordnete seine kunstverständige Erneuerung auf eigene Kosten an (9000 Taler entsprechend etwa Mark 27 000.). Sie wurde unter Leitung des Historienmalers Karl Andreas in Dresden durchgeführt und 1866 vollendet. So ist die Kirche in Niebra im Besitz ihres wertvollen Flügelaltars geblieben, indem er vor dem Verfall durch König Johann bewahrt wurde, einen künstlerisch sehr begabten. und interessierten Mann.

Die Entfernung von Liebschwitz nach Sera betrug etwa 6 km, also eine gute Wegstunde, so daß der in Gera während seines Gymnasiumsbesuches wohnende Sohn Oswald am Wochenende gut zu Fuß nach Hause kommen konnte.

Liebschwitz gehörte einst zur sächsischen Amtshauptmannschaft (Kreis) Zwickau, später zu Werdau. In den Jahren noch 1945 wurde auch Liebschwitz nach Gera eingemeindet.

Die Übersiedlung nach Liebschwitz (an der Weißen Elster)
Die Übersiedlung der Familie Ose von Dresden nach Liebschwitz, von einer schönen Großstadt in ein kleines Dorf, war ein entscheidender Wechsel. Er war wohl aus welchem Grund auch immer notwendig geworden. Wir dürfen wohl annehmen, dass zwingende Gründe Veranlassung dazu waren. Wir müssen sogar vermuten, dass es eine Lebensfrage für Familie Ose war. Vermutlich brachte die ärztliche Praxis in Dresden nicht genug ein, damit die Familie Ose existieren konnte. Eine bittere Erkenntnis für die Eltern Ose. Ob die Liebschwitzer Praxis Karl Ose angeboten wurde, ihm sie zugewiesen wurde, oder aus welchen Gründen er dorthin zog, wir wissen es nicht. Alles ist nur Vermutung.
So eröffnete also Karl Ose in Liebschwitz eine Allgemeinpraxis. Er selbst nannte sich stets medicus practicus (med. pract.), also praktischer Arzt. Ob Karl Ose auch ausserhalb der Enklave Liebschwitz Patienten behandeln durfte, ist nicht bekannt. Bei der damaligen politischen Zersplitterung Deutschlands wäre eine Beschränkung auf die Enklave durchaus möglich gewesen.

Das Datum der Übersiedlung von Dresden nach Liebschwitz ist uns nicht bekannt. Wir können aber den Zeitpunkt in etwa abschätzen. Einerseits ist Karl Ose im Dresdner Adressbuch 1847 noch in der Rähnitzgasse 171 verzeichnet; während das 12. Kind Carl Julius am 29. Juni 1847 in Liebschwitz zur Welt kam. Wir dürfen daher annehmen, dass die Übersiedlung im Frühjahr 1847 stattfand. Wegen der hochschwangeren Mutter und der kleinen Kinder dürfte man kaum in den Wintermonaten umgezogen sein. Dass Karl Ose schon vor der Übersiedlung einmal in Liebschwitz war, ist mit Sicherheit anzunehmen. Er musste ja alles erkunden und eine bezugsfertige Wohnung finden.

Während das junge Ehepaar Karl und Emilie Ose ihre Übersiedelung von Dresden nach Wurzen noch mit der Postkutsche durchführen mussten, stand ihnen 1847 für die Übersiedlung nach Liebschwitz für den größten Teil der Wegstrecke die Eisenbahn zur Verfügung. Das war allein schon wegen der kürzeren Fahrzeit, aber auch wegen der Bequemlichkeit ein großer Gewinn, zumal sie ja mit fünf Kindern reisten: Oswald, Hugo, Lidda, Amanda und Clara, von denen das älteste 15 Jahre, das jüngste sieben Jahre alt war. Man bestieg den Eisenbahnzug in Dresden-Neustadt - eine Verbindung der Eisenbahn zwischen Alt- und Neustadt gab es noch nicht. In Leipzig kam man auf dem Dresdner Bahnhof an. Es gab damals in Leipzig noch vier weitere Bahnhöfe. Als man 1914/1915 den Leipziger Hauptbahnhof vollendet hatte, blieb nur noch der Bayerische Bahnhof* übrig, der auch heutzutage noch existiert. Von Leipzig aus fuhr Familie Ose dann vom Bayerischen Bahnhof nach Altenburg, Crimmitschau oder Zwikckau. Von dort waren es noch 3o-4o km bis Liebschwitz (vgl. die Karte unten). Während die Leipzig-Dresdner Eisenbahn, die erste deutsche Eisenbahnstrecke von immerhin 12o km Länge schon am 7. April 1839 eröffnet worden war, kam die Strecke nach Altenburg bzw. Zwickau erst am 19. April 1842 bzw. sogar erst 1845 in Betrieb. Es gab schon damals verschiedene Wagenklassen und entsprechend gestaffelte Fahrpreise. Für die Strecke Leipzig-Dresden galt
1. Wagenklasse (geschlossene Wagen mit Dach und Fenstern. Nummerierte Plätze), 3 Taler
2. Wagenklasse (Wagen mit Dach, keine Glasfenster, sondern nur Ledervorhänge,Plätze nicht nummeriert), 2 Taler
3. Wagenklasse (Wagen ohne Dach, also offene Wagen. Plätze nicht nummeriert), 1 1/4 Taler

Sächsischer Eisenbahnzug um 1847

Bayerischer Eisenbahnzug um 1844

Ob es für Kinder Ermäßigung gab, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Es ist anzunehmen, dass Familie Ose die 2. Klasse allein schon mit Rücksicht auf die Kinder löste. Für die Strecke von Leipzig bis Altenburg bzw. Crimmitschau bzw. Zwickau kam noch ein zusätzlicher Fahrpreis von ca. 4o% infrage. Allerdings musste man in Leipzig für diese Strecke eine weitere Fahrkarte lösen, da diese von einer anderen Gesellschaft betrieben wurde. Die damaligen Eisenbahnen wurden praktisch sämtlich privat betrieben. Sie waren ja auch in der Regel durch Privatinitiative auf privater Basis entstanden. Erst in späteren Jahrzehnten übernahm der Staat die Eisenbahnen und ließ weitere Strecken bauen.

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* Vom "Dresdner Bahnhof" zum "Bayerischen Bahnhof" musste man mit der Pferdedroschke fahren. Eine Pferdestraßenbahn wurde in Leipzig erst 1882 eröffnet. Erst 1896 gab es die erste elektrische Straßenbahn in Leipzig.

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Die Fahrt von der Endstation der Eisenbahn nach Liebschwitz musste Familie Ose mit der Postkutsche in Richtung Gera zurücklegen oder eine Pferdekutsche mieten. Die Möbel dürften ebenfalls mit der Eisenbahn befördert worden sein.

Den Anbeginn des Baus der Leipzig-Dresdner Eisenbahn hat Familie Ose noch 1835 in Wurzen erlebt. Dort wurde damals die 400 m lange Eisenbahnbrücke über die loo m breite Mulde, den Mühlgraben und das Überschwemmungsgebiet begonnen. Fertig gestellt wurde sie 1838. Damals waren Oses schon wieder nach
Dresden übergesiedelt. Diese Brücke war für die damalige Zeit eine großartige technische Leistung, ein Meisterwerk der Zimmermannskunst. Als Fundament der aus Steinen bestehenden Pfeiler wurden Eichenpfähle in den Boden gerammt. Die jetzige vierte Muldeneisenbahnbrücke ruht z.T. noch auf diesen 15o Jahre alten Pfeilern. Zwischen den Pfeilern wurde aus Kiefern- und Fichtenbalken ein Hänge- oder Sprengwerk montiert, da man damals mangels geeigneter Eisenkonstruktionen auf diese Bauweise angewiesen war. Seitlich verkleidete man diese Holzkonstruktion mit Brettern, um den Eindruck einer steinernen Brücke zu erzeugen. Der Abstand der Pfeiler betrug nur 25m wegen der Holzkonstruktion, die maximale Achslast betrug nur 5,5t, das Laufmetergewicht 3,3t/m. Für das eigentliche Flussbett verwendete man diese genannten 25m Spannweite die übrigen Spannweiten waren vermutlich aus Kostengründen geringer. Ab 31.Juli 1838 rollte der erste Eisenbahnzug von Leipzig nach Wurzen. Wie berichtet wird, standen die Bauern der Eisenbahn feindlich gegenüber, da sie befürchteten, der Pferdebestand werde erheblich abnehmen wegen der Übernahme des Fernverkehrs, aber auch eines Teils das Nahverkehrs durch die Eisenbahn. Damit werde sich auch ein geringerer Bedarf an Hafer als Pferdefutter ergeben und damit der angebaute Hafer nur noch schwer oder im bisherigen Umfang gar nicht mehr verkäuflich sein. Diese Bedenken waren durchaus berechtigt. Da aber der Übergangszeitraum sehr groß war, kam es wohl kaum zu Schwierigkeiten bei den Bauern.

Eisenbahn-Brücke über die Mulde bei Wurzen, erbaut 1835 -1838. Rechts die Türme des Wurzener Doms.

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