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Johann Karl Wilhelm Ose (1798-1880)

seine Ehefrau Emilie Auguste geb. Voigt (1810-1848)

und ihre Familie

Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Nachträge und Ergänzungen

Nachträge und Ergänzungen

Anmerkung zu Chirurgen und Barbiere
Die Trennung von praktischen Ärzten und Chirurgen im Dresdner Adressbuch jener Jahre geht auf eine jahrhundertlange Unterbewertung der Chirurgen zurück, wie dies nachstehender Abschnitt aus dem köstlichen Buch von Albert Lorenz: "Wenn der Vater mit dem Sohne ...." beweist (Dtv Deutscher Taschenbuch-Verlag, München, 7. Auflage 1985, Seite 83)

Über seinen zweiten Onkel, den Eduard, sagt (mein Vater) Lorenz: "Er wurde Arzt". Das ist nicht genug. Er war zuerst nur "Chirurg", Wundarzt, ein ausgestorbener Beruf, der sonderbarerweise in deutschen Landen einigermaßen in Verruf war, nach öffentlicher Einschätzung dem des Baders, Schröpfers, wenn nicht gar des Henkers nahestand. Merkwürdig, dass die Chirurgie, heute die Krone und das angesehendste der medizinischen Teilfächer, je in ein so übles Licht geraten konnte. Nach jahrelanger Praxis wollte der Onkel die Schmach der "Chirurgie" nicht länger tragen, begann als Mann in mittleren Jahren und Vater einer zahlreichen Familie Medizin zu studieren und absolvierte seinen Dr. med. in Rekordzeit mit Auszeichnung.

In Meyers Enzyklopädischem Lexiken, Band 5, Seite 628/629 (1972) finden sich zum Thema "Chirurgie" u.a. folgende Angaben:

Im Mittelalter war dem Klerus die chirurgische Tätigkeit verboten. Die niedere chirurgische Tätigkeit wie Aderlaß, Zahnextraktion, Steinschnitt bei Blasensteinen, Starstich u.a., wurde von umherziehenden Chirurgen, Badern und Feldscheren ausgeführt. Erst im 18. Jahrhundert erwirkte die Chirurgie die Gleichberechtigung als medizinisches Universitätsfach. Im 19. Jahrhundert nahm die Chirurgie ihren größten Aufschwung mit der Einführung der Antisepsis und Asepsis. Im 20. Jahrhundert konnten die Möglichkeiten der Chirurgie durch neue Methoden und Hilfsmittel erweitert werden.

In der "Geschichte der sächs. Armee" (vgl. S.125; Teil 3, S.31) steht: In der sächs. Armee erschien am 8.April 1833 eine Dienst-Reglement, in dem u.a. die Bezeichnung "Chirurg" durch die Bezeichnung "Arzt" ersetzt wurde.

In dem Buch von Dr. Grundschorek "Carl Gustav Carus" (4.Aufl., 1986/Leipzig/Hirzelverlag, S.77) wird Carus als Direktor der Staatlichen Entbindungsanstalt und der Hebammenschule im Anschluß an die Erörterung seines 1820 erschienenen Werkes "Lehrbuch der Gynäkologie "die Absicht zuerkannt, "nicht nur die widernatürliche Trennung von Chirurgie und innerer Medizin auch in der Frauenheilkunde zu überwinden".

Kötzschke, S. 315: Die Chirurgie entwickelte sich damals vom blosen Handwerk zu einer wissenschaftlichen Übung, und damit gewannen die neu geschaffenen chirurgischen Akademien, wie die in Dresden ins Leben gerufene, an allgemeiner Bedeutung.

Die Chirurgisch-Medizinische Akademie zu Dresden
Aus einem Dokument des Jahres 1855 entnehmen wir folgendes:
"Die Chirurgisch-Medizinische Akademie zur Bildung von Ärzten und Wundärzten für die sächsische Armee und das platte Land. Die Anstalt wurde bereits 1748 nach den Plänen des Casernen-Medicus Dr. Pitschel und des Hofchirurgen Günther begründet und bestand lange Zeit unter dem Namen Collegium medico-chirurgicum im Kasernengelände, bis sie durch die Kriegsereignisse (Anfang des 19. Jahrhunderts) verdrängt und dann später (1816) nach einem Entwurf des Hofrat Seiner erweitert und vervollkommnet, in ihrer jetzigen Gestalt, dem ehemals Kurländischen Palais im Zeughaushofe wieder eröffnet wurde.

Die Vorlesungen in der Anstalt umfassen alle Zweige der Heilwissenschaft und der Vorbereitungswissenschaften und ist die
Teilnahme an denselben gegen billigen Beitrag zur Kasse der Anstalt auch anderen Personen-wie Pharmazeuten, Künstlern und Liebhabern der Naturwissenschaften gestattet.

Die Zöglinge (Studierenden) haben sich vor der Aufnahme einer Prüfung zu unterwerfen. Die Vorlesungen beginnen an 15. September und dauern bis 15. Juli.

In einem Seitengebäude befinden sich die stehenden medizinischen Anstalten für Therapie und für Chirurgie für arme innere und chirurgisch Kranke, jede mit 2o Betten."


Hinweis zu Heft 1 der Familiengeschichte:

August Friedrich Ose (1762-1825)
Wie dort auf Seite 3o/31 berichtet wird, reiste dieser im Februar 1825 nach Dresden, um sich von den clinici therapeutici (Fachärzten) behandeln zu lassen. Es war bisher eine offene Frage, wer die doch recht hohen Krankenhaus- und Behandlungskosten wohl bezahlt hat, da ja August Friedrich Ose diese bei seiner schlechten Altersversorgung nicht hätte aufbringen können. Auch schied der Gedanke aus, dass man ihn als Vater eines Studierenden kostenlos behandelt hätte. Der obige Bericht aus dem Jahr 1855 zeigt uns, dass es schon damals soziale Einrichtungen für solche Fälle gab. August Friedrich Oses Sohn Johann Karl Wilhelm hat mit Sicherheit als Studierender der Akademie dafür gesorgt, dass sein Vater in die Abteilung für arme Kranke kam und dort kostenlos behandelt wurde. Ein beruhigender Gedanke!

Über die Akademie erfahren wir noch mehr Interessantes aus dem 1986 in 4. Auflage erschienen Buch von Dr. Genschorek "Carl Gustav Carus (Hirzel-Verlag, Leizig). Wir zitieren aus diesem interessanten Buch die entsprechenden Abschnitte, gegebenenfalls leicht gekürzt. Aus diesen geht u.a. hervor, dass an der Akademie Vorbereitungskurse für diejenigen stattfanden, die ohne ausreichende gymnasiale Vorkenntnisse zur Akademie kamen. Die Auswahl bei diesen dürfte sehr streng gewesen sein. Sowohl Joh. Karl Wilhelm Ose (1798-188o) als auch sein jüngerer Bruder Friedrich August Ose (1800-1875) bestanden diese Aufnahmeprüfung und wurden zu den Vorkursen zugelassen.

In einer einen Tag nach Eröffnung der Akademie am 3.August 1816 erschienenen Druckschrift sind die Hauptaufgaben derselben dargestellt. Das sieht dann so aus:

1.Vorbereitung junger Ärzzte auf ihre praktische Tätigkeit: Junge Ärzte, die ihr Universitätsstudium vollendet haben, sollen sich "in allen praktischen Teilen der Heilkunde vervollkommnen. Sehr wichtig und notwendig ist es gewiß für jeden jungen Arzt, dass er einige Jahre unter Anleitung mehrerer Lehrer die ärztliche Behandlung der Kranken lerne und sich in derselben übe, ehe er zum selbstständigen Handeln übergeht. Denn dies allein führt den jungen Arzt zur Sicherheit und Festigkeit in seinem Heilverfahren"

2."Der Unterricht und die Leitung der Bildung des ärztlichen und wundärztlichen Personals für die Königlich Sächsische Armee".

3.Ausbildung von Wundärzten: "Sie hat dahin zu wirken, dass diejenigen, die sich dem Stand der Wundärzte widmen wollen, so weit ausgebildet werden, dass sie als Wundärzte zum Wohle der Kranken zweckmäßg selbstständig handeln können, und zugleich den Ärzten als brauchbare Gehilfen zur Seite stehen. Die bei der Versorgung der Kranken, vorzüglich in kleineren Städten und auf den Dörfern, ganz unentbehrlich sind. Um zur Erfüllung dieses Zwecks hinzuarbeiten, werden die Studierenden vor der inscription (Einschreibung) geprüft, wenn sie nicht auf Schulen ihre Studien ganz vollendet haben und darüber vollgültige Zeugnisse vorzeigen können. Nur die Fähigeren werden angenommen, welche Hoffnung geben, dass sie durch gehörigen Unterricht und Privatfleiß brauchbare Männer werden können. Diese sucht man, nach ihren individuellen Bedürfnissen 9 in den Vorbereitsungswissenschaften (Vorsemester !!) zu vervollkommnen und ihren Geist auszubilden, ehe ihnen gestattet wird, Vorlesungen zu besuchen, welche sie ohne solche Vorübungen nicht verstehen würden. In Allen sucht man, durch Lehren und Ermahnungen edle und moralische Gute Sitten zu erhalten und zu erwecken. Nur diejenigen, die sich in den Erkenntnissen der Vorbereitungswissenschaften auszeichnen, welche bei einer neuen Prüfung hinlängliche Bekanntschaft mit den theoretischen Teilen der Heilkunde zeigen und gute Fähigkeiten besitzen, wird der Zutritt zu den praktischen Anstalten für innere Krankheiten gestattet, und von diesen sucht man die Vorzüglichsten so weit zu bilden, dass sie da, wo Doctoren der Heilkunde mangeln, die Stelle derselben, unter den nötigen Einschränkungen, versehen können. Nach Vollendung der Studien wird aber erst durch eine Prüfung vor dem königlichen Sanitäts-Collegio bestimmt, welcher Wirkungskreis einem jeden Zögling nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen angewiesen werden kann, und Gesetze werden für Aufrechterhaltung der Ordnung sorgen. Durch dieses gemeinsame Wirken darf man mit Zuversicht hoffen, dass nach und nach für die Kranken, auch in den kleineren Städten und Dörfern, so zweckmäßig als nur möglich gesorgt wird. Nur muss man nicht erwarten, in einem wichtigsten und schwierigsten Teil der Gesundheitspolizei schnell zum Ziele der Vollkommenheit eilen zu können. Hier, wo es auf besseren Unterricht der Volksärzte, auf Verbreitung richtiger Ansichten unter dem Volke selbst ankommt, führt allein Bedachtsamkeit, Beharrlichkeit und Zeit mit Sicherheit zum Ziele".

4. Entbindungsschule (Hebammenschule). Dazu lesen wir: "Durch die Entbindungsschule sorgt die Akademie für den zweckmäßigen Unterricht der Geburtshelfer und Hebammen. Mündlicher Unterricht wird mit oft wiederholten praktischen Übungen verbunden, durch welche allein die Hebammen die gehörige Geschicklichkeit erlangen können, und ohne welche jeder Versuch des Hebammenunterrichts ein gefährliches Scheinwerk ist".

5. Tierarzneischule "Seine Königliche Majestät haben bereits befohlen, daß die Tierarzneischule verbessert und mit der Akademie vereinigt werden soll".

6. Ausbildung von Tierärzten: "Auf diese Weise wird sie einem sehr fühlbarem Bedürfnisse des Landes, dem Mangel an wohlunterrichteten Tierärzten abhelfen. Man wird dahin trachten, dass vorzügliche Wundärzte in diesem Zweige der Heilkunde unterrichtet werden, um so dem Lande eine hinlängliche Anzahl recht brauchbarer Tierärzte geben zu können".

7. Clinische Institute: "Durch die clinischem Institute sind endlich Anstalten begründet. in welchen Kranke und Schwangere stets die ihnen notwendigen Bedürfnisse und Hilfeleistungen bereit finden. Hier sollen Leiden und Not, die manchen armen Unglücklichen drücken, gehoben oder doch gelindert werden". (Es handelt sich hier um die erwähnten medizinischen Anstalten für Therapie und Chirurgie für arme innere und chirurgische Kranke mit je 2o Betten wo auch mit großer Sicherheit August Friedrich Ose (1762-1825) in seinen letzten Lebenstagen behandelt wurde).

Die Vorsemester
In dem bereits erwähnten Buch über Carl Gustav Carus finden sich auch Angaben über die bereits erwähnten Vorsemester, wie sie auch Johann WilheIm Ose (1798-1880) besucht hat. In einem Brief an seinen Freund Regis um 1817 schreibt Carus wie folgt:
"In Eile schreibe ich Ihnen einige Zeilen. Es wird wahrscheinlich in den nächsten Tagen bei unserer Akademie die Professur der Vorbereitungswissenschaften erledigt (besetzt) werden. Die Stelle ist freilich mehr eine Art Schulstelle, fördert Unterricht im deutschen Stil, im Lateinischen, etwas Mathematik und Moral, fördert eine gewisse Pünktlichkeit und Zutraun erregende freundliche Behandlung der oft gar nicht mehr so jungen Schüler (Johann war Wilhelm Ose war 21 Jahre alt, als er auf die Akademie kam). Indessen nimmt sie täglich nur eine Stunde in Anspruch. Indessen sind 2 Sommermonate (der neuen Einrichtung zur Folge) Ferien.... Noch sind übrigens die Prüfungen der ankommenden Studierenden usw. Geschäft dieses Lehrers. Er ist Mitglied des akademischen Senats und hat beim Antritt ein Programm zu schreiben und zwei Probevorlesungen zu halten, insofern er nicht schon früher öffentlicher. Lehrer war."

Die wichtigsten Lehrkräfte der Akademie
Wir betrachten dabei nur die Lehrkräfte zur Zeit, als Joh. Karl Wilhelm Ose die Akademie besuchte. In der Gründungsurkunde von 1815 sind folgende Lehrstühle erwähnt: Vorbereitsungswissenschaften
Chemie und Physik
Anatomie, Physiologie, ...
Chirurgie Kriegsoperationskunde (??)
Geburtshilfe
Theoretische Heilkunde
Praktische Heilkunde

Der erste Direktor der wieder errichteten Akademie war der Arzt Burkhard-Wilhelm Seiler (1779-1843), Anatom und Physiologe, der 1814 von Wittenberg nach Dresden überwechselte. Er war der maßgebliche Mann für den Aufbau und die Einrichtung der Akadermie. Er holte auch Carus nach Dresden, der allerdings nur bis 1827 eine Professur und die Leitung der Hebammenschule und der Entbindungsanstalt inne hatte, da er 1827 Leibarzt des sächsischen Königs Johann wurde. Als Leibarzt fungierte auch Friedrich Ludwig Kreysig, der auch schon den 1827 verstorbenen König Friedrich August I. (1750-1827) betreut hatte. Er hatte auch eine Professur an der Akademie inne (praktische Heilkunde).
Es sei noch erwähnt, dass die Tochter Sophie Charlotte Carus die Frau des berühmten Dresdner Bildhauers Ernst Friedrich August Rietschel (18o4-1861) war, des Urgroßvaters meines Klassenkameraden Christian Rietschel, mit dem ich zusammen von 1921-1927 die Fürsten- und Landesschule zu Grimma besuchte.

Postkutschenfahrten in Rußland in den 178o/9oer Jahren
Ein Bruder meines Ururgroßvaters August Gottlob Bernhardi (176o-1831), der Urgroßvater meiner Mutter Ose geb. Bernhardi (1886-1947), war Ambrosius Bethmann Bernhardi (1756- 18o1), ein Freiberger Kind (er wurde dort geboren und starb auch dort). Er war ein hochintelligenter und gebildeter Mann. Über ihn erscheint ein besonderes Heft unserer Familiengeschichte. Nach theologischen und juristischen Studien an der Universität Leipzig war er Hausslehrer in Lyon/Frankreich, später in einem gräflichen Hause im Erzgebirge und schließlich von 1786-1795 Hofmeister (Hauslehrer und Erzieher) in der vornehmen Familien v. Naumov in Riga, damals zu Livland gehörig und zum russischen Reiche. In diesen neun Jahren konnte er den Westen des russischen Reiches gut kennen lernen, zumal er auch mit der Familie v. Naumov eine ausgedehnte Reise nach St. Petersburg (Leningrad) und Moskau mitmachte. Diese Reise um 1790 fand natürlich in Pferdebespannten Kutschen oder Schlitten statt. Man nahm sicher nicht die normale Post, sondern reiste in Extraposten. In seinem zu seiner Zeit viel gelesenem Buch "Züge zu einem Gemälde des Russischen Reiches unter der Regierung von Catharina II., gesammelt bei einem vieljährigen Aufenthalt in denselben", das 1798/1799 erschien, bespricht er auch das Trinkgeldwesen in Russland. Als guter Freund Rußlands sucht er in seinem Buch in Deutschland vorhandene Vorurteile gegenüber Rußland und den Russen zu entkräften. In diesem Zusammenhang schildert er z.B., wie billig die Reisegesellschaft v. Naumov unterwegs in Bauerhäusern übernachtet habe, zumal es offensichtlich noch keine Gasthöfe an den Straßen gab. Er schreibt auf den Seiten 232-234 des 2. Bandes seines Buches folgendes:

" In meinem ersten Briefe habe ich schon angeführt, dass die russischen Postknechte ein sehr kleines Trinkgeld bekommen und, die in den Städten etwa ausgenommen,
verlangen. Ebenso genügsam habe ich auch die Fuhrleute befunden, mit denen ich in Gesellschaft zwei Reisen machte, und alle Bauern, bei denen wir einkehrten. Wir waren 11 (!!) Personen, die ohne etwa mehr als Licht und Rahm zu kaufen, wovon der Verdienst sich über zwei Kopeken schwerlich belief, für eine Nachtherberge, für Holz für mancherlei Feuerung des Abends und des Morgens und für Schlittenraum auf fünf Schlitten in der Regel lo Kopeken Kupfer, an einigen Orten noch weniger, und, soviel ich weiß, nur einmal 15 Kopeken geben mussten. Auch war der Preis gleich, wir mochten mit Posten oder Fuhrleuten kommen, so dass nicht etwa auch die Fütterung der Pferde mitgerechnet war. Und für solche Kleinigkeit ließ sich die ganze Familie aus ihrer Ordnung und Ruhe stören. Stets waren wir mit derselben auf einer Stube, und doch so zahlreich, zumal wenn wir fünf Fuhrleute mitbrachten, als dass wir derselben hinlänglichen kaum zu Schlafstellen übrig gelassen_ hätten. Die Bänke waren von der Herrschaft (v. Naumov), der Fußboden und der Ofen nebst Pritsche von den Bedienten und Fuhrleuten besetzt. Auch legte sich der weibliche Teil der Bauernfamilie selten ordentlich schlafen. Man vergleiche nun den Preis mit dem, was der Reisende bei Landleuten in der Schweiz für Herberge bezahlen muss und urteile, wo mehr Eigennutz herrscht..."

Das Reisen war also einst eine höchst beschwerliche Sache, zumal wie bei einer Reise von Riga nach St. Petersburg und nach Moskau man viele Tage unterwegs war, zumal im Winter. Da es aber damals keine bessere Lösung gab, musste man damit fürlieb nehmen. Da die Reisenden - abgesehen vom mitreisenden Personal - stets den wohlhabenderen Schichten angehörten, die zu Hause schon einen gewissen Komfort gewöhnt waren, war es für diese besonders beschwerlich, unter solchen Umständen zu reisen, die für uns heutzutage kaum mehr nachzuempfinden sind.

Nachträge
o Mein Bruder Hans bemerkte, dass seiner Ansicht nach die Angabe von Leistenbruch und Nasenpolypen nur ein Vorwand für die Beantragung des Abschiedes gewesen sei. Denn auch schon damals dürften diese beiden Mängel keinen hinreichenden Prozentsatz der Leistungsminderung für die Invalidität 2. Grades gewesen sein. Wenn dies der Fall gewesen wäre, also eine Notwendigkeit des Abschieds von seitens der sächsischen Armee nicht vorgelegen habe, so könnte man zu der Ansicht kommen, dass Karl Ose seinen Abschied genommen habe, um durch einen beruflichen Wechsel seine wirtschaftliche Situation zu verbessern. Wir haben ja gezeigt, wie schlecht Militärärzte damals bezahlt wurden. Er sah mit Recht als Leibarzt von General v. Walonieff bessere Verdienstmöglichkeiten. Ob diese Annahme stimmt, oder ob er wirklich sich zu einem Abschied gezwungen sah, weil er keine Aussichten mehr als Militärarzt hatte, können wir nachträglich leider nicht beurteilen. Dabei wird es bleiben müssen!

o Der Bau der großartigen Dresdner Oper durch Gottfried Semper (1803-1879), vollendet 1841, machte Dresden zu einem Mittelpunkt auch des Musiklebens. Leider brannte sie 1869 ab, wurde jedoch durch den Sohn Manfred Semper (1838-1913) wieder in der Form aufgebaut, wie sie nach der Kriegszerstörung 1945 wieder erstand und 1984 in Betrieb genommen wurde. Der Bau der 2. Oper durch Manfred Semper war 1879 vollendet worden. Das geistige Leben in den 1830/50er Jahren war in Dresden recht rege. Im Mittelpunkt stand Ludwig Tieck (1773-1853), der Dichter und Schriftsteller. Er lebte von 1819-1842 in Dresden. Vorher hatte von er sich von der Romantik abgewandt und dem Spätwerk der Biedermeierzeit zugewandt. Die Vorlesungen in seiner Dresdner Wohnung wurden zum Mittelpunkt des literarischen Lebens der Biedermeierzeit in Dresden. 1842 zog Tieck nach Berlin, ein schmerzlicher Verlust für das literarische Leben Dresdens.

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