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Einführung: Lebenlauf / Literarische Erzeugnisse

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Zweite Sammlung: Brief IX / Brief X / Brief XI / Brief XII / Brief XIII

Dritte Sammlung: Brief XIV / Brief XV / Brief XVI/Biographie

Ambrosius Bethmann Bernhardi (1756- 18o1)

Die literarischen Erzeugnisse von A.B. Bernhardi

Züge zu einem Gemälde des Russischen Reichs unter Catharina II.
gesammelt bey einem vieljährigen Aufenthalte in demselben. In vertrauten Briefen 1798.

1. Sammlung 1798, 304 Seiten, Brief I - VIII

Brief III

Nachteiliger Wechselkur. Ursachen desselben. Zweifel über die gewöhnlichen Angaben der Handelsbilanz. Nachteile der Einführung der Banknoten. Vorübergehender Mangel an Kupfergeld. Mittel den Wechselkurs zu heben. S. 81-105

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Ich habe an mehreren Orten beiläufig gesagt, dass jetzt der Wechselkurs für Russland sehr nachteilig ist. Woher kommt dieser Fall des russischen Geldes? Ist denn nicht der Kurs jedem Land günstig, wo die Handelsbilanz vorteilhaft ist; und liest man nicht überall, dass Russland viel mehr aus als einführt? Hierauf antworte ich ihnen zuerst, dass, wenn gleich die Handelsbilanz vorteilhaft im Ganzen sein mag, sie es doch bei weitem nicht in dem Grade ist, welchen man anzunehmen pflegt. Man legt dabei gewöhnlich die Angaben der Kaufleute bei den Zollämtern zu Grunde, welche aber in einem hohen Grade unsicher sind. Bei den auszuführenden Waren kommt es meistenteils zur Bestimmung des Zoll auf Mass und Gewicht an; dieses kann ohne große Weitläufigkeit nicht falsch angegeben werden, wird

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es um so weniger, da eine Unrichtigkeit nur selten großen Gewinn verschafft. Bei den eingeführten Waren hingegen dient in vielen Fällen der Preis zur Bestimmung des sehr hohen Zolls; und da kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass nicht der volle Einkaufspreis angegeben wird.*) Ferner können die auszuführenden Waren, welche große Massen ausmachen, als Holz, Hanf u.s.w. und aus dem Hafen keine Schleichwege finden, selten den Zoll ganz übergehen, diejenigen hingegen, welche eingeführt werden, sind größtenteils viel leichter zu verbergen.

*) Hr. Herrmann in der statist. Schilderung von Russland, S. 429 und Herr Storch in dem Gem. v. P. Th II S. 29, behaupten zwar, dass die Kaufleute ihre Waren nicht selten sogar über den Einkaufspreis angeben, um sie vor der Anmaßung der Zollbedienten zu schützen. Allein dagegen gibt es ein anderes Mittel, und die Fälle sind wohl höchst selten, wo der Kaufmann nicht gern eine große Partie Waren auf einmal mit einem Gewinne von 20 Prozent absetzen. Überdies sind jener Behauptung meinen Beobachtungen, wo ich noch in einem anderen Briefe etwas sagen werde, ganz zuwider.

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Die Schiffe haben ihre geheimen Gemächer, die sie der Untersuchung der Zollbeamten mit und wider ihren Willen zu entziehen wissen. Und wie viel unverzollte Waren kommen nicht unmittelbar nur aus Mietau? Es fährt selten jemand von Riga dahin, ohne bei der Rückkehr etwas einzuschleifen, und manche Person hat bei dieser Fahrt keine andere Absicht als diese. Eine gewisse Generalin machte sonst jährlich diese Reise, um sich nicht nur mit Kleidung sondern sogar mit Zucker und Kaffee zu versorgen, bis sie einmal, aller Versuchung auf Generalparole ungeachtet, angehalten und gestraft wurde. Überdies ist mir versichert worden, das es auf den Grenzen von Polen und Curland ganze Banden von Schleichländler gibt, die selbst großen Massen Eingang zu verschaffen wissen. Daher in manchen Gegenden der Franzbranntwein z.B. nicht einmal so viel kosten soll, als an Zoll dafür zu bezahlen ist. Zu diesen Bemerkungen füge ich noch eine, welche das aufgestellte Resultat zu keiner geringen Wahrscheinlichkeit bringt.


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Der Ertrag der konfiszierten Waren fällt in Riga dem Kollegium der allgemeinen Fürsorge zu. Als nun im Jahre 92 eine Ukase befahl, dass alle französische eingeschlichenen Waren nicht verkauft, sondern vernichtet werden sollten, verlor das Kollegium, nach der Versicherung eines Glieds desselben, jährlich an Einnahme wenigstens 10000 Thaler Alberts, eine Summe, wenn man bedenkt, dass viele französische Waren durch andere ersetzt werden mussten, und die Summe der entdeckten gewiss weit übersteigt. Eine etwas sichere Berechnung der Handelsvorteile für das ganze Land, als die nach den Angaben der Zollbücher ist, würde vielleicht nach der Masse des eingeführten Goldes und Silber in Verbindung mit der Masse des zirkulierenden Geldes gemacht werden können. Da nämlich in Russland, Liefland ausgenommen, ausländisches Geld sehr wenig oder gar nicht im Umlauf ist, und bei einer vorteilhaften Handelsbilanz doch am Ende allen Überschuss in Gold und Silber abgetragen

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werden muss; so kommt es auf zweierlei an: erstlich zu bestimmen, wie viel russisches Geld aus den von außen eingekommenen edlen Metallen geprägt worden ist,*) und zweitens ob sich die Masse des holländischen Geldes in Liefland vermehrt oder vermindert hat.

*) Wenn man die eingekommenen Summen selbst als Maßstab des Gewinns ansehe, so würde man sich wenigstens für Riga irren, weil von da aus ein großer Teil jener Summen nach Curland und Litauen für Waren geht. Bei dem Handel in Petersburg ist es etwas anderes; da werden die verschifften Waren fast ohne Ausnahme entweder mit russischen Gelde oder durch Gegenrechnung bezahlt; da kann man also mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit das von außen einkommende Silber und Gold als den Wert des gesamten Gewinns ansehen. Klein erscheint es aber auch nach diesem Maßstab. Herr Storch gibt (S. 31) jährlich den Wert von 337,064 S. Rubel an, und Herr Herrmann im a. B. auf acht Jahre nur einen Wert von 732,323 S. Rubel. Übrigens ist es sehr sonderbar, wenn Herr Storch zu dem Handelsgewinne, den er durch das Abziehen der Einfuhr von Ausfuhr angibt, noch besonders das eingeführte Gold und Silber rechnen. Darin besteht ja die Zahlung des Überschusses der ausgeführten Waren.

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Das Erste kann man jährlich zwar gar nicht, und für einen gewissen Zeitraum auch nicht ganz bestimmt; wer aber viele Jahre hintereinander die rigaischen Handelsgeschäfte mit Aufmerksamkeit verfolgt, und die Größe der selben gegen den Mangel oder dem Überfluss des Geldes abwiegt, der kann wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit angeben, ob sich die Masse desselben in Zeit von zehn Jahren vermehrt oder vermindert hat. Wäre dieser Maßstab, wie es scheint, hinlänglich; so dürfte der Handelsgewinn in den letzten zehn Jahren höchstens auf die Summen bestimmt werden, welche von der Krone zu Rubeln gemünzt worden sind. Denn nach allen Äußerungen erfahrner Kaufleute, ist das holländische Geld in diesem Zeitraum nicht vermehrt sondern vermindert worden. Doch ich kehre zu der Hauptfrage zurück; woher kommt der schlechte Wechselkurs? Wird er auch nicht mehr so auffallend, wenn man annimmt, dass die Handelsbilanz für

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Russland bei weitem nicht so vorteilhaft ist, als man gewöhnlich denkt, so muss er doch noch einen anderen Grund haben; und dieser liegt, wie mir es scheint, in der Einrichtung der Bank. Die Gründung derselben im Jahre 79 macht Epoche in der Regierung der Kaiserin Katharina II. und wird in dem Petersburger Kalender als solche angeführt. Auch lässt sich wohl behaupten, dass die Bank eine Wohltat für das russische Reich unter den Umständen war, unter welchen sie errichtet wurde. Wenn aber Schriftsteller den allgemeinen, uneingeschränkten Nutzen derselben behaupten, so begreife ich eine solche Behauptung nicht. Ist irgend ein Schluss von der Beschaffenheit einer Anstalt auf die Motive derselben richtig, so ist es der, dass aus Mangel an gutem Geld Papiergeld eingeführt, und dieses auf Kupfer gestellt wurde. Wann geschah denn die Einrichtung der Bank? -- nach einem langen Krieg, der große Summen aus dem Reiche gezogen hatte. Und wo wurde sie eingeführt? -- in einem Reiche, das überhaupt wenig Geld hat.


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verfolgt man ferner die Operationen der Bank, so erscheint sie noch mehr als eine Nothilfe. Anfangs war die kleinste Banknote auf 25 Rubel gestellt. Dabei blieb immer noch Gold und Silber im Gange. In dem letzten Türkenkrieg aber, der wiederum Geld aus dem Reiche zog, wurden Noten von fünf und zehn Rubel eingeführt. Dass dadurch Bequemlichkeit im Handel hervorgebracht wurde, ist allerdings war, aber bloss deswegen, weil Gold und Silber immer seltener wurden. In welchem Land hat man es wohl je unbequem gefunden, fünf bis zehn Rubel in guterklingender Münze auszuzahlen? Endlich bekommt die Meinung, dass der Mangel daran in Russland das Papiergeld schuf, ein großes Gewicht dadurch, dass es auf Kupfer gestellt ist. Dieser Umstand würde von keiner Bedeutung sein, wenn Kupfermünze zuvor das gewöhnliche Geld gewesen wäre. Ungeachtet aber man auf den Banknoten angedeutet hat, dass dies so sei, so hat es doch weiter keinen Grund als den,

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dass man sich des Kupfers in größerer Menge als in vielen andern Reichen bediente. Silbergeld war so gewiss von langen Zeiten her das gewöhnliche in Russland gewesen, dass sich unter dem Zar Alexei Michailowitsch ein Aufstand erhob, als er, um seinen Finanzen abzuhelfen, das Kupfergeld an die Stelle des Silbers setzen wollte, und das er, nachdem der Aufruhr gestillt war, den Gebrauch des guten Geldes wieder herstellte. Seit der Zeit wurde auch ununterbrochen fort im Silbergelde jeder Handel im Großen geschlossen, jede Gage ausgezahlt und der größte Teil der Abgaben erhoben. Alles dies ist jetzt anders. Kupfer oder Papier, das die Stellen desselben vertritt, ist Geld, Silber oder Gold ist Ware. Eine solche Umwandlung kann für nichts anders als eine Nothilfe angesehen werden. Sie tat in Russland anfangs ihre guten Dienste, ohne großen Schaden anzurichten. So wie das Kupfergeld schon zuvor bisweilen gegen ein Aufgeld von fünf bis sechs Prozent statt des Silbers genommen worden war; so verlor auch das Papier nicht mehr.

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Das dies aber nicht unter allen Umständen so bleiben würde, hätte man voraus sehen können. Die Einführung der Rechnung nach Kupfer, war eine wirkliche Herabsetzung der Landesmünze. Ein Pud Kupfer wird zu sechzehn Rubel ausgemünzt und folglich wenigstens noch einmal so hoch, als es ohne Stempel gegen Silbergeld angebracht werden kann.*
Nach dem innern Gehalt richtet sich aber immer früh oder spät, wenigstens einigermaßen der Wechselkurs; und es ist in der Tat zu verwundern, dass die Kaufleute in Russland, die doch zum Teil gewiss Erfahrung genug hatten, sich von der Bequemlichkeit verleiten ließen, ihre Zahlungen auf Bankgeld zu stellen. Sie haben sich durch diesen Fehlgriff bisweilen in großen Schaden versetzt.

*) Es ist sonderbar, wenn Herr Hupel Herrn Schlözer hierüber dadurch zurecht weißen will, dass er ihm den Cours entgegen setzt. Von diesem spricht Schlözer nicht, sondern von dem inneren Werte des Kupfers, das zu einem Rubel ausgeprägt wird. Sein Versuch die Staatsverfassung des Russischen Reichs darzustellen Th, II, S.314.


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Bei den schnellen fallen des Wechselkurs hat er sich wohl häufig genug getroffen; dass aus dem Verkauf der Waren eher Verlust als Vorteil erwachsen ist.*) Doch der Kaufmann befindet sich noch wohl bei dem schlechten Gelde, in Vergleich mit andern Ständen. Er hat nur einen vorübergehenden Schaden zu fürchten; andere Stände aber einen langen dauernden, oder gar einen unabänderlichen. Der Edelmann ist erstlich mit dem Kaufmann in gleichem Falle, wenn er seine Produkte zu ungünstiger Zeit versilbert oder vielmehr verkupfert. Überdies leidet er noch besonders bei den trocknen Zinsen einen sehr beträchtlichen Schaden. Ehedem wurden sie in Silber oder Gold, und jetzt werden sie durchaus in Kupfer oder Papier bezahlt. So lange die kleinste Banknote noch auf 25 Rubel

*) Schon lange hatte das Agio (Aufgeld) auf 25 Prozent gestanden, als die Buchhändler in Petersburg noch eben den Preis hielten, der bei einem Agio von fünf bis sechs Prozent statt gefunden hat.


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gestellt war, konnten die wenigsten Bauern ihre Zinsen mit Papiergeld bezahlen, und nachher waren sie oft gezwungen es zu tun. Sie bekamen selbst für ihre Produkte nichts anders, und hatten nicht einmal Gelegenheit gutes Geld einzuwechseln. Hat auch der Edelmann das Recht, die trocknen Zinsen zu erhöhen, so bedient er sich doch dieses Rechts nur mit Einschränkung, und kann auch ohne Ungerechtigkeit nicht immer die Zinsen in dem Maße erhöhen, als das Papier fällt. Doch ist weder der Kaufmann noch der Gutsbesitzer so übel daran, als die Personen, welche auf fixen Gehalt stehen. Diese haben gar kein rechtmäßiges Mittel den Schaden abzuwehren, der ihnen aus der Einführung des Papiergeldes erwächst. Es war schon schlimm für sie, als das Silber mit einem geringeren Korn als zuvor ausgeprägt wurde. Die Rubel waren bis zum Ende der Regierung der Kaiserin Elisabeth um ein Viertel besser als die jetzigen. Als nachher dem Silbergeld gar Kupfer substituiert wurde, verloren die Beamten wiederum fünf bis sechs und endlich

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bis 45 Prozent von dem, was sie nach dem schlechter ausgeprägten Geld erhalten haben würden. Dieser doppelte Verlust machte beinahe die Hälfte ihres Gehaltes aus, wie man hauptsächlich in der Provinz sieht, wo nicht nach Rubeln sondern nach holländischem Geld gerechnet wird. Denn da war ehedem ein Alberts Thaler nur um wenige Prozent schlechter als ein silberner Rubel, und seit mehreren Jahren gilt er gewöhnlich zwei Rubel in Papier, ja bisweilen noch mehr. War in andern Provinzen der Verlust nicht eben so in die Augen leuchtend, so war er doch nicht minder gewiss. Man klagte nur über die Teuerung und erstaunte, dass z. B. in Petersburg seit zwanzig Jahren alle Bedürfnisse noch einmal so hoch im Preise gestiegen wären, und hätte doch bedenken sollen, dass nicht die waren teurer sondern die Rubel schlechter geworden waren.*)

*) Es ist zu verwundern, dass selbst ein Mann wie Georgi in seiner Beschreibung von Petersburg bei der Anzeige des erhöheren Preises der Lebensmittel nicht auf den Fall des Geldes Rücksicht nimmt.

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Später als in großen Städten richtet sich in kleinen und auf dem Lande der Preis der Bedürfnisse nach dem Geldfusse, aber jetzt wird in den meisten Provinzen doch das Getreide fast noch einmal so teuer als sonst verkauft. Wenn daher ehedem die Besoldung, im Ganzen genommen, eben so ansehnlich als in den meisten europäischen Ländern waren, so sind sie jetzt viel geringer, und selten zum ordentlichen Lebensunterhalt hinlänglich. Als die Kaiserin Elisabeth bei der Stiftung der Universität in Moskau jedem Professor wenigstens 500 Rubel bestimmte, so konnte er damit auskommen; denn sie betrugen beinahe 700 Thaler sächsisch -- aber jetzt ist er eben so schlimm dran, als mancher Professor auf deutschen Universitäten. Das endlich die Krone selbst in ihren Einkünften durch Einführung der Banknoten verloren hat, bedarf kaum der Erwähnung. Kann man auch mit Recht sagen, dass sie einen großen Teil des Schadens auf ihre Beamten wälzte, so ist doch auch offenbar, das Gegenstände genug übrig blieben, wo sie den

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Verlust selbst tragen mußte. Viele Waren und Kriegsbedürfnisse muss sie teurer als sonst bezahlen; und die Handarbeit kann sie nicht mehr um den ehemaligen Preis zu ihrem Dienste erhalten. Als daher in Vermehrung des Papiergeldes die außerordentliche Hilfe, deren sie bedurfte, nicht mehr zu finden war; so konnte sich eigentlich niemand wundern, als viele Abgaben auf einmal um die Hälfte erhöht wurden. Im Grunde setzte die Krone dieselben nur auf den alten Fuss, und konnte deswegen auch gar keine gerechten Klagen im Ganzen erregen. Die am meisten bisher Gedrückten, die Beamten, bezahlen nichts; und überdies wurden sowohl dem Offizier, als dem gemeinen Soldaten, zu gleicher Zeit Zulage bewilligt. Der Nachteil, welchen das Papiergeld schon lange für Russland gehabt hatte, wurde im Jahre 90 noch dadurch vermehrt, dass an verschiedenen Orten nicht einmal mehr Kupfer gegen die Banknoten ohne Aufgeld zu erhalten war. Glücklicher Weise dauert dieser Mangel nur etwa ein halbes Jahr.

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Hätte er länger gedauert, so würde die Vermutung gegründet gewesen sein, dass von den 67 Millionen Rubel an Kupfer, welche nach obiger Angabe im russischen Reiche sein sollen, kaum die Hälfte vorhanden wäre. Denn bei der Bequemlichkeit, welche die Noten gegen gemünztes Kupfer gewähren, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussetzen, dass nicht der dritte Teil von dem Werte des Papiers an geprägten Kupfer im Umlaufe ist. Allein wie gesagt, der Mangel des letztern dauerte nicht lange, und war nur anscheinend. Der Grund davon wurde in mancherlei Ursachen gesucht. Da er bald nach dem Anfang des letzten Türkenkrieges entstand, so glaubte man, dass in die Länder, in und bei welchen der Krieg geführt wurde, nun das Kupfer geschafft worden wäre, da man kein Silber mehr dahin zu schaffen gehabt hätte. Auch war es wohl keinem Zweifel unterworfen, das aus Moskau Kupfer nach den Grenzen des Reichs gezogen worden war. Aber selbst unter dieser Voraussetzung blieb es immer unerklärbar, wie eine,

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für das Ganze geringe Masse Kupfer, aus dem Innern des Reichs gezogen, Mangel daran veranlassen konnte; und dies um so viel mehr, da er sich auch in Petersburg zeigte. Man trug sich also mit dem Gerücht, dass mehrere Große gegen einen gewissen Preis Kupfer prägen zu lassen übernommen, und dann statt desselben Banknoten gegeben hätten. Sollte dieses Gerücht in etwas gegründet sein, so müsste man es auf eine Art auslegen, die mehr Zurüstung fordert als es wert ist. Mir ist der Grund, den es von dem Mangel an Kupfer angab, nicht nur an sich unwahrscheinlich, sondern auch noch mehr dadurch geworden, das ich in Petersburg einen viel einfacheren hörte, den ich Ihnen mitteilen will. Die Bank hatte vom Anfange an, sowohl für Papier geprägtes Kupfer, als umgekehrt, für dieses Banknoten ausgegeben. Da nun diese weit beliebter als jenes waren, so häufte sich dasselbe in der Bank zu Petersburg so sehr, dass die Direktoren derselben,

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welche wähnten, sie sei eigentlich nur bestimmt, Papier zu realisieren, kein Kupfer mehr anzunehmen beschlossen. Diesen Entschluss glaubten sie um so mehr fassen zu können, da sie in den Münzstätten sowohl, als an andern Orten, eine große Menge geprägtes Kupfer vorrätig wussten. Sie versäumten aber, dieses zu rechter Zeit kommen zu lassen, und hatten überhaupt nicht gedacht, dass ein noch so großes Kapital doch endlich verschwindet, wenn man immer davon nimmt, und nichts hinzusetzt. Als sie dies merkten, und sich die Möglichkeit dachten, es könne der Bank wohl gar das Geld ausgehen, machten sie es wie im Jahre 1745, die Direktoren der Bank zu London, und ergriffen allerlei Mittel, um täglich nicht über eine gewisse Summe auszuzahlen. Die daher entstehende Verzögerung hatte die Wirkung, die man hätte voraussehen können. Sie erregte Verdacht; und je mehr man die Leute, welche Assignationen wollten gewechselt haben, warten ließ, desto häufiger sah man sie herzu strömen. Wer nun Kupfer erhalten, oder auch sonst vorrätig hatte,

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gab es nicht wieder ohne Aufgeld für Papier hin, und konnte um so mehr auf den daher entstehenden Gewinn rechnen, da viele Personen, vom Bedürfnis gedrängt, nicht mehrere Tage lang vor der Bank warten konnten. Dies geschah zu Petersburg; in Moskau mochte wohl das Wegführen von einer in die Augen fallenden Menge Kupfer zur Armee zuerst den Gedanken eines möglichen Mangels erregt, und viele Menschen bewogen haben, noch vor der vermeinten Sprengung der Bank ihr Geld in Sicherheit zu bringen oder zu erhalten. So entstand ein wirklicher Mangel aus dem blossen Gedanken, dass er entstehen könnte. Um demselben abzuhelfen, ließ die Monarchin alles Kupfer, was sich in der Niederlage der Bank zu Riga befand, nach Moskau schaffen; so gross auch die damit verbundenen Kosten waren. Für den Transport von 100,000 Rubel mussten 14,000 Rubel bezahlt werden. Nun litt man aber in Riga Mangel. Lässt sich auch der größere Teil der Einwohner, selbst bis auf die niedrigsten Klassen des Volkes herunter,

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in Silbergelde bezahlen, so standen doch die Beamten, welche ihren Gehalt in Banknoten bekommen, und besonders das Militär, nebst vielen tausend Russen, die sich in Riga befinden, und gewöhnlich nach Kupfer rechnen, bei dem Mangel desselben sehr übel. Die Niederlage der Bank wurde bei dieser Gelegenheit in Riga ganz aufgehoben, und der Umsatz des Papiergeldes gegen Kupfer hing allein von den Wechslern ab, die, des verhältnismäßig geringen Bedürfnisses ungeachtet, doch lange für einen Rubel fünf Kopeken Aufgeld forderten. Die Regierung verordnete zwar, dass sie täglich 100 Rubel ohne Aufgeld ausgeben sollten;*) was war das aber unter so viele? Die Hauptleute konnten sich nicht anders helfen, als das sie die Löhnung in Banknoten einer gewissen Zahl Soldaten zusammen gaben, ohne sich darum zu kümmern, wie diese auseinander kamen.

*) Eigentlich ist es ganz verboten, Aufgeld bei der Auswechslung der Banknoten gegen Kupfer zu nehmen. Allein die Regierung sah wohl, dass sie dies Verbot nicht halten konnte, ohne die Sachen noch schlimmer zu machen, als sie schon standen.

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Doch reiste mancher nach Pleskow, um von da Kupfer herbei zu schaffen, damit die schon an sich geringe Löhnung nicht noch geringer würde. Dadurch sowohl, als durch den gewöhnlichen Zufluss des Kupfers vom Lande, kam auch in Riga binnen einem Jahre der Wert der Banknoten wieder auf den vorigen Fuss. Wahrscheinlich wird er sich überall lange dabei erhalten;ich wenigstens bin überzeugt, dass bei der Unbequemlichkeit, welche das Kupfergeld hat, die Menge desselben in einem sehr vorteilhaften Verhältnis zum Papier steht. Der Mangel kann im Ganzen nie mehr als anscheinend sein -- und so ein Schein verliert sich bald. Aus eben diesem Grunde glaube ich auch, dass das Papier selbst gegen Silber in Russland geschwind wieder steigen kann. Man bedarf des letzten wenig, einige Millionen sind hinreichend; und ist mehr da, als man braucht, so muss die natürliche Folge des Steigen des Papiers sein. Der Friede von wenigen Jahren aber ist hinreichend,

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mehr als die genannte Summe in ungestörten Umlauf zu bringen. Ob zugleich in eben dem Verhältnis der Wechsel für das Ausland steigen werde, ist eine andere Frage. Um dieselbe bestimmt zu beantworten, muss angenommen werden, dass die freie Ausfuhr der silbernen Rubel gestattet werde.*) Wenn man statt der teuren Wechsel im Notfalle das Silber selbst schicken kann, hat der Verlust, der durch den Wechselkurs erlitten wird, seine bestimmten Grenzen. Gibt es auch häufige Fälle, wo in Zahlungen schlechterdings kein gemünztes oder doch kein ausländisches Geld angenommen wird, so ist dasselbe doch immer irgendwo nach dem inneren Wert, und folglich durch eine leichte Operation am Ende überall an Zahlungs statt

*) Ich habe zwar im vorhergehenden Brief zu verstehen gegeben, dass alles Verbotenes ungeachtet, silberne Rubel auch von Privatpersonen aufgeführt werden; dies hat aber nicht so viel sagen sollen, als ob die damit verbundenen Schwierigkeiten nicht die Zahlungen in solcher Münze im Ganzen verhindern.

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zu gebrauchen. Indem hingegen Russland alle Ausfuhr der geprägten Rubel verbietet, erweitert es die Grenzen des Wechselkurs und lässt die Möglichkeit, das er für das Ausland den Banknoten ungünstig sei, wenn gleich diese im Inland gut stehen. Dieser Nachteil wäre schon allein hinreichend, jenes Verbot als unpolitisch darzustellen. Er ist aber nicht der einzige; und es ist nicht wenig zu verwundern, dass, ungeachtet der fast allgemeinen Stimme der Schriftsteller über Politik, und des Beispiels eines Staats, der sich doch wahrlich auf kaufmännische Rechnung versteht, ich meine Holland, immer noch in manchen Ländern verboten wird, das gemünzte Geld auszuführen. Darüber sollte man eigentlich halten, wenn überhaupt Verbote im Geldhandel statt finden dürfen, dass fremdes Geld in Umlauf gesetzt werde, aber nicht darüber, dass das einheimische in fremde Länder gehe. Denn der Staat, dessen Geld weit und breit Kurs hat, gewinnt etwas ansehnliches durch den Schlagschatz; und die Holländer haben in der Tat dadurch, dass

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sie ihrem Geld fast überall Eingang zu verschaffen wussten, alle europäische Nationen in Contribution gesetzt. Haben viele Staaten diesen Handlungsgeist nicht zu fassen gewusst, so ist der Nachteil davon doch für keinen schädlicher gewesen, als für Russland. Denn dieses scheint recht darauf auszugehen, dem holländischen Geld einen größeren Wert zugeben, als es hat.
Ich habe schon angeführt, dass der Zoll in Riga ganz, und in Petersburg sowohl als in Reval zum Teil in Alberts Thalern erlegt werden muss. Heißt dies nicht die Landesmünze herabwürdigen? Auch ist durch diese Herabwürdigung sehr oft der Fall eingetreten, dass der silberne Rubel gegen holländisches Geld unter seinem innern Werte hingegeben werden musste. Er stand in Riga mehrere Jahre zu 21 Groschen sächsisch, und ist doch nach der Versicherung von Männern, die ihn untersucht haben, über 24 Groschen wert. Und was macht denn die Krone mit den holländischen Thalern? -- Sie prägt dieselben zu Rubeln aus, und kann dann diese

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im Lande selbst nicht stets für den inneren Wert gebrauchen.-- Ob es nicht besser wäre, bei Einführung der Banknoten dieselben auch für den Zoll ohne Unterschied anzunehmen, lasse ich dahin gestellt; obgleich ich überzeugt bin, dass dadurch der Wechselkurs vorteilhafter geblieben, der Verlust der Krone bei diesem einzelnen Gegenstand geringe gewesen, und durch den Gewinn im Ganzen reichlich ausgewogen worden wäre. Doch gesetzt, man hätte zu mehrerer Sicherheit es für gut gefunden, den Zoll nach wie vor in Silber bezahlen zu lassen, hätte man nicht wenigstens Rubel eben so gut als Alberts Thaler im Verhältnis des Wertes annehmen sollen?


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